SIMPLE AS ABC #7 THE VOICE OF FINGERS
Thomas Bellinck | Said Reza Adib (Belgien | Finnland)
Spielplan
Deutsche Erstaufführung
Zur Zeit der Qin-Dynastie, im ersten chinesischen Kaiserreich, verwendete man Fingerabdrücke, um Einbrecher*innen zu identifizieren, aber auch, um Dokumente zu unterzeichnen und zu besiegeln. 2.000 Jahre später werden Europäer*innen das Nehmen von Fingerabdrücken in ein Instrument der Massenüberwachung verwandeln. Nach der Niederschlagung des Indischen Aufstands von 1857 begannen britische Kolonalbeamt*innen in Indien ihre Experimente mit Fingerabdrücken als schnelle und einfache Methode, um ihre administrative Umklammerung und Kontrolle fester zu ziehen. Im Jahr 2015 veröffentlichte die Europäische Kommission Arbeitsunterlagen, in denen der Einsatz von Haft und Zwangsmaßnahmen zur Erlangung von Fingerabdrücken klar angedeutet wird, angewandt auf Menschen, die um Asyl suchen oder die EU-Grenzen ohne offizielle Erlaubnis überschreiten und sich weigern, ihre Fingerabdrücke abzugeben. Die Autor*innen dieses Dokuments bezeichnen Menschen, die zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke verpflichtet sind, als „Datensubjekte“, als Träger*innen lesbarer Informationen.
Ausgehend von ihrer gemeinsamen Recherche zu Grenzregimen schreiben der Theatermacher Thomas Bellinck und der Journalist Said Reza Adib ein Schauspiel für die Performer*innen Manizja Kouhestani und Jeroen Van der Ven. Von den winzigen Furchen auf ihren ganz eigenen Fingerspitzen weiten sie den Blick in eine Welt, in der Hautmuster Laptops entsperren, und in der Finger von Regierungen als Messinstrumente requiriert werden – um zu entscheiden, wer das Recht dazu hat, sich auf welchem Hoheitsgebiet aufzuhalten.
Einfach gesagt
Ein Theaterstück über Fingerabdrücke. In China wurden sie vor über 2.000 Jahren benutzt, um Kriminelle zu erkennen. Heute müssen Geflüchtete ihre Fingerabdrücke abgeben, wenn sie in die Europäische Union einreisen. Damit wird über ihre Körper und Daten bestimmt. Um zu verhindern, dass sich Menschen frei bewegen können.
Biografie(n)
Thomas Bellinck ist ein in Brüssel lebender Künstler. Er studierte Deutsche Philologie an der Universität Leuven sowie Regie am Royal Institute for Theatre, Cinema and Sound in Brüssel. Seit 2015 kreiert er seine Arbeit SIMPLE AS ABC, eine Serie von Performances und Installationen rund um das Thema der EU-Grenzpolitik und der internationalen Mobilitätsgerechtigkeit. Aktuell arbeitet er an seiner Promotion an der KASK (Hochschule der Künste Gent), wo er THE SCHOOL OF SPECULATIVE DOCUMENTARY mitgegründet hat.
Said Reza Adib wurde an der Iranischen News Agency IRNA als Journalist und später am Institut für Kriegs- und Friedensberichterstattung im Bereich Dokumentarfilm ausgebildet. Neben seiner journalistischen Tätigkeit für verschiedene iranische und afghanische Zeitungen arbeitet er bei audiovisuellen Informationsmedien. Über mehrere Jahre war er Chefredakteur bei Noorin Radio & TV in Kabul. Zuletzt war er als Ko-Regisseur des Dokumentarfilms EVEN AFTER DEATH und als Reporter für den BBC Broadcast CORONAVIRUS CRISIS: EUROPE’S MIGRANT CAMPS 2020 tätig.
Musia Mwankumi wirkte bereits während des Schauspielstudiums in diversen Produktionen mit und wurde für THE SHELL TRIAL für den Columbina nominiert – ein niederländischer Preis für die überzeugendste weibliche Nebendarstellerin der Saison. Mwankumi ist Mitglied des Magdalena Kollektivs, mit dem sie als Performerin und Szenografin ihr Abschlussprojekt DO YOU LOVE HER? 2023 zur Aufführung brachte.
Jeroen Van der Ven studierte Schauspiel am Royal Institute for Theatre, Cinema and Sound in Brüssel und gewann für seine Soloperformance LEUCHTER den Young Theatre Award des belgischen Theater Aan Zee. Als freischaffender Schauspieler war Jeroen Van der Ven sowohl in diversen Theaterproduktionen als auch in TV-Serien und Filmen zu sehen, zuletzt in der Netflix-Serie ROUGH DIAMONDS. Außerdem lehrt er regelmäßig an der Royal Academy of Fine Arts und am Royal Conservatory Gent.
Manizja Kouhestani erhielt ihre Theaterausbildung in den Niederlanden, bevor sie an der KASK in Gent Schauspiel studierte. Ihr Schauspielstudium verbindet sie mit Auftritten in verschiedenen Produktionen. Zuletzt war Manizja Kouhestani Mitglied des Theaterkollektivs STAN für die Bühnenadaptionen von Asghar Farhadis A SEPARATION und ABOUT ELLY. In dieser Spielzeit ist sie in der niederländischen Erstaufführung von Rebekka Kricheldorfs FRÄULEIN AGNES von de Roovers zu sehen.
Besetzung
Konzept & Text Said Reza Adib | Thomas Bellinck Kostüm Rachid Laachir Regie Thomas Bellinck Regiepraktikum Furkan Ak Dramaturgie Said Resa Adib | Esther Severi Finanzielle Koordination Sandra Raes Oklobdzija Lichtdesign Janneke Donkersloot | Stef Stessel Performance Manizja Kouhestani | Jeroen Van der Ven Produktionsleitung & Übertitel Marte van Hassel Szenografie Mirjam Pleines | Stef Stessel Bühne Kopspel | Jolan Moonen Technik Arthur de Vuyst | Janneke Donkersloot Lektorat & Übersetzung Mahdieh Fahimi | Jodie Hruby | Sarah van Camp | Ulrike Syha Video Léna Iloo Stimme Said Reza Adib | Sajjad Hosseini | Fatima Mousavi
Hinweis
Barrierefreiheit
Produktion & Realisierung
Produktion ROBIN Koproduktion Theater Antigone | Arsenaal/Lazarus | Münchner Kammerspiele | SPIELART Theaterfestival Unterstützt von der flämischen Regierung | Kaaitheater | Kask/School of Arts of the University College Ghent | Pianofabriek Kooperation mit den Münchner Kammerspielen
Dank an Katia Arfara | Donald Berlanger | Javad Hosseini | Bart Moens | Bardia Mohammad | Gwen Sebus | Dimitri Stuyven | Willy Thomas | Michael von Cranach