Unpleasant Affairs
PLANTAGE DACHAU (AT)
In ihrer künstlerischen Recherche reflektieren Manon Haase und Caroline Kapp unter dem Label Unpleasant Affairs den historischen Kontext der Entstehung der ‚Plantage Dachau‘ und beschäftigen sich mit der Nachnutzung des Geländes seit 1945 bis heute.
Das aus dieser Recherche entstehende Projekt wird im Rahmen des diesjährigen SPIELART Theaterfestivals uraufgeführt.
Hier gewähren uns die beiden Künstlerinnen vorab einen Einblick in ihren Arbeitsprozess.
Die Geschichte der ‚Plantage Dachau‘
Die ‚Plantage Dachau‘ liegt in der Peripherie Münchens. Sie ist eine unangenehme Angelegenheit:
In unmittelbarer Nähe des KZs Dachau wurde die Plantage – auch bekannt unter dem euphemistischen Begriff ‚Kräutergarten‘ – 1938 unter Leitung der der SS unterstellten Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung als Außenkommando aufgebaut. In ihrer Entstehungsgeschichte ist die ‚Plantage‘ aufs Engste mit der nationalsozialistischen ‚Blut-und-Boden-Ideologie‘ und dem Begriff der ‚deutschen Scholle‘ verknüpft. 220 Hektar Anbaufläche wurden von bis zu 1600 Gefangenen unter menschenunwürdigen Bedingungen bewirtschaftet. Ein Großteil von ihnen waren Juden, Sinti und Roma. Viele kamen bei den Arbeiten ums Leben.
Das Außenlager diente den Nazis als Prototyp zur Erforschung von Kompost, Heilpflanzenkunde und deutscher Gewürzherstellung und folgte den anthroposophischen Prinzipien biodynamischer Landwirtschaft. Riesige Gladiolenfelder sollten die Wehrmacht mit Vitamin C und heilenden Pflanzenwirkstoffen versorgen, heimische Pflanzen Substitute für eine autarke Nahrungsmittel- und Medikamentenversorgung liefern. Die Plantage bildete einen Baustein für den geplanten Angriffskrieg und die isolierte Allmachtsphantasie des Dritten Reiches – eine Versuchsanstalt zwischen Esoterik und Effizienz?
Was ist die ‚Plantage Dachau‘ heute?
2007 wurde zum ersten Mal seit Stilllegung des Geländes eine Pflegeaktion des Grundstückes durch die Stadtgärtnerei Dachau unternommen. Im Zuge dessen wurde auch eine Vegetationsaufnahme vorgenommen, die prüfen sollte, wie viel des vegetativen Altbestandes der NS-Zeit noch auf dem Gelände vorzufinden sei. Das Ergebnis: Pflegevernachlässigung und Pflanzensukzession zeichnen den heutigen Bestand aus.
Ähnlich verhält es sich mit der Erinnerungspflege vor Ort; sie folgt dem Prinzip der Vernachlässigung. Das Gelände der Gärtnerei ging in den 1950er Jahren an die Stadtverwaltung Dachau über, die in den Folgejahren große Teile des Areals verkaufte und die Umnutzung des Geländes veranlasste. Ein Industriegebiet entstand. Der bauliche Restbestand der NS-Bauten wurde in den 1970er Jahren in eine Unterkunft für wohnungslose Menschen und Menschen mit Fluchterfahrungen umgewidmet, die bis heute besteht.
Über Unpleasant Affairs
Für die performative Intervention PLANTAGE DACHAU (AT) fährt Unpleasant Affairs in die Peripherie. Unpleasant Affairs besteht aus Caroline Kapp (Regie) und Manon Haase (Dramaturgie). In ihren Recherchen beschäftigen sie sich mit Erinnerungs- und Identitätspolitiken. Sie vernetzen sich, führen Interviews mit lokalen Entscheidungsträger*innen, Ortsansässigen und Historiker*innen, sie besuchen Archive und halten sich vor Ort auf, um die Strukturen und Einschreibungen von Geschichte und Gegenwart in der Landschaft zu verstehen.
Auszüge aus ihrem Interview-Fragebogen
Denken Sie viel über Geschichte nach? Ja/Nein? Warum?
Was bedeutet Dachau für Sie?
Wie viel Wohnraum benötigen Sie zum Leben?
Was bedeutet der Begriff ‚asozial‘?
Wie definieren Sie Verbrechen gegen die Menschlichkeit?
Wogegen würden Sie Widerstand leisten?
Ernähren Sie sich autark?
Heilen Sie sich mit Homöopathie?
Haben Sie einen Lebensmittelvorrat angelegt?
Kompostieren Sie?
Wie wird dieser Ort in 100 Jahren aussehen?
Fotos: © Constanza Melendéz. Die Fotografien entstanden im Rahmen des Webseiten-Projektes https://plantage-dachau.de/.